Mit Hurtigruten von Kirkenes nach Bergen (23.2. – 3.3.2017)
Nach der Annullierung meiner Reise mit der MS Polarlys wenige Tage vor dem Start vor einem Jahr, habe ich mich nun ein ganzes Jahr lang auf diese Woche gefreut. Dieses Mal, mit dem neusten Schiff der Hurtigruten Flotte, der MS Spitsbergen, die erst seit Juni letztem Jahr im Einsatz steht, scheint alles zu klappen.
Donnerstag, 23.2. – Flug nach Oslo
Meine Reise beginnt, als mich Bernard auf der Kiss&Fly-Spur vor dem Flughafen ablädt. Es bleibt hier gerade Zeit für einen Abschiedskuss, Gepäck ausladen, und dann muss weitergefahren werden. Meinen Boardingpass habe ich schon, weil ich am Vorabend online eingecheckt habe. In der Flughafenhalle sind Duzende Schalter leer, aber für die Gepäckaufgabe muss ich genau dort anstehen, wo es schon eine riesige Menschenschlange gibt.Online einzuchecken erspart das Anstehen am Schalter nicht, der Vorteil ist, dass der Sitzplatz selber gewählt werden kann. Nach ca. 40 Min. habe ich aber auch meinen Boardingpass für den morgigen Flug von Oslo nach Kirkenes schon. Die Warterei geht nun bei der Sicherheitskontrolle weiter. Ich brauche für mein flüssiges Desinfektionsmittel noch einen offiziellen Plastikbeutel, muss den Gürtel ausziehen, habe auch noch Flugticket, ID, Boardingpass und beide Rucksäcke in den Händen, und nehme mir vor, mich beim nächsten Flug geschickter zu organisieren. Die Schuhe müssen auch noch ausgezogen werden, da brauche ich danach einige Zeit, bis wieder alles angezogen und verräumt ist. Nun gibt es ein Sandwich.
Der Flug mit SAS nach Oslo bei schönstem Wetter am Fenster ist angenehm. Im Süden von Norwegen kommen die Schäreninseln in Sicht und auf dem Festland werden grosse schwarze Waldflächen von weissen schneebedeckten Feldern aufgelockert. Bei der Landung entdecke ich, direkt an der Landepiste, mein Hotel… wie soll ich da schlafen? Nach der Ankunft erkundige ich mich nach einem Pass für den ÖV, denn ich möchte am Abend einen Abstecher nach Oslo machen und wenn möglich auf die sehr teuren Flybussen verzichten. Für 190 NK (23 Fr.) kaufe ich eine Tageskarte der Gesellschaft ruter. Die Busfahrt zum Hotel Comfort Runway Gardermoen dauert knapp 10 Minuten. Trotz sehr dicker Mauern und nur ganz kleinen Fenstern bebt das Gebäude leicht beim Start sehr grosser Flugzeuge. Für Frühflieger wie mich ist das Hotel jedoch ideal, es gibt bereits ab 4 Uhr morgens Early Breakfast. Ich stelle mein Gepäck ins Zimmer und mache ich mich nach 18 Uhr auf den Weg nach Oslo, d.h. mit dem Bus zurück zum Flughafen und von dort ca. 20 Min. mit der S-Bahn ins Stadtzentrum. Da ist es natürlich schon Nacht, als ich ankomme. Ich spaziere zum modernen Opernhaus, weil ich gelesen habe, dass man da auf das Dach steigen kann. Und tatsächlich, trotz Eis und Schnee ist das möglich, und ich geniesse die Sicht auf das moderne Stadtzentrum, den z.T. gefrorenen Oslo-Fjord und die beleuchtete Holmenkollen Schanze im Hintergrund. Danach finde ich in den berühmten Ostbanehallen beim Bahnhof ein Pub, und geniesse einen Ceaser’s Salad mit einem Bier, bevor ich wieder zurück ins Hotel fahre. Als S-Bahn und Bus jedes Mal pünktlich eintreffen, bin ich sehr froh und hoffe, dass dies auch am nächsten Morgen um 6 Uhr so gut klappt, wenn ich nach Kirkenes fliege.
Freitag, 24.3. – Weiterreise nach Kirkenes
Ich habe gut geschlafen, habe jedoch immer auf den Wecker geschaut, wenn ich kurz erwacht bin, um ihn ja nicht zu verpassen und rechtzeitig am Flughafen zu sein. Nach 5 Uhr esse ich Frühstück und es herrscht schon reger Betrieb im Hotel. Der Bus ist pünktlich da, und am Flughafen beginnt wieder die Warterei bei Gepäckaufgabe und Sicherheitskontrolle.
Auch heute Freitag scheint die Sonne, und ich lese auf dem ganzen Flug das Buch, das ich mir für die Ferien gekauft habe: Über den Winter, des Schweizer Schriftstellers Rolf Lappert (lesenswert!).
Nun bin ich im hohen Norden Norwegens, Kirkenes liegt auf 69° nördlicher Breite, sein Name bedeutet ‹Kirche auf der Landzunge». Die Landschaft ist tief verschneit, der Bus durchquert den Ort mit vielen rot, gelb, hellblau und weiss bemalten Holzhäusern und lädt mich im sehr modernen Thon Hotel, das nahe der besagten Kirche direkt am Fjord gelegen ist, aus. Die Hotelleitung gibt sich Mühe, mit vielen Kerzen, warmen Farben und einem Feuer während dem Nachtessen auf der Terrasse eine heimelige Atmosphäre zu schaffen. Das einzige was mich hier stört ist das Walfleisch auf der Speisekarte… unfassbar, aber ich bin ja in Norwegen, und habe mich mittlerweile auch belehren lassen, dass das Walfleisch von ungefährdeten Minkwalen stammt. Ich würde es aber trotzdem nie essen. Die Modernität des Hotels ist jedoch ein krasser Gegensatz zu dem kleinen «Kaff» im hohen Norden, mit einigen wenigen Läden und Self-Service- und Fast-Food-Lokalen, einer Bibliothek und der Heilsarmee im Zentrum. Man spürt, dass das Leben in den langen Wintern, mit viel Kälte und wenig Licht nicht einfach ist. Viele Leute sind mit ihrem Sykkel unterwegs, einer Art Rollator aus Holz auf Kufen, wo sie Halt haben und gleichzeitig auf dem Sitz Einkäufe, Kinder etc. transportieren können.
Im Grenzlandmuseum erfahre ich einiges über die Geschichte der Gegend um den Varangerfjord. Immer wieder war diese Gegend von Kriegen betroffen und es mussten Flüchtlinge aufgenommen werden (1917 die russische Revolution, Bürgerkrieg in Finnland). Im 2. Weltkrieg wollte Hitler die strategisch gute Lage von Kirkenes ausnutzen um Angriffe nach Russland zu starten. Die Bevölkerung hat viel gelitten, das ist heute noch überall spürbar, und der 2. Weltkrieg ist dank mehreren Denkmälern immer noch präsent. Die Nähe zu Russland, ca. 10 km, zeigt sich an den vielen russischen Auto-Nummernschildern und an den Strassentafeln, die alle auch russisch angeschrieben sind.
Anfang des 20. Jahrhunderts hat Kirkenes einen wirtschaftlichen Aufschwung erlebt, als in der Region grosse Eisenerzvorkommen gefunden wurden. Die Minen haben der Bevölkerung im 2. Weltkrieg Schutz geboten. Heute ist die Gegend bekannt für die Königskrabben.
Samstag, 25.2. – Endlich auf dem Schiff
Das einzige, was nicht geklappt hat auf der Reise, war der Transfer vom Hotel zum Hurtigruten-Kai am Samstag. Etwa 10 Personen warteten gut eine halbe Stunde, bei schätzungsweise -15°, und ich noch eine Viertelstunde länger, weil ich schon viel früher draussen war. Es kam aber kein Bus. Für die 1.5 km müssen wir dann ein teures Taxi bezahlen. Beim Anblick der MS Spitsbergen bei diesem strahlenden Wetter ist dies jedoch sofort alles vergessen. Wir fahren Richtung Barentssee, die übrigens so heisst, weil Wilhelm Barentz im 16. Jh. hier einen Seeweg nach China finden wollte. Den ganzen Nachmittag und Abend schaukelt das Schiff sehr stark auf einem schwarzen Meer. Das Mittagessen kann ich nicht im Magen behalten, ich bin seekrank und fühle mich elend. Den ganzen Nachmittag unternehme ich nichts, gehe nicht an Land, lese ein wenig und lege mich ins Bett, aber in der Kabine ist es sehr kalt. In dem Zustand schwört man sich natürlich, nie wieder so abenteuerliche Reisen zu buchen und nur noch Ferien mit einem geringen Risikofaktor zu unternehmen. Das Abendessen, Hering, zartes Rentier-Steak und russische Charlotta kann ich jedoch behalten. Es gibt auch schon Nordlicht-Alarm, ich wage jedoch nicht, auf Deck 8 zu rennen und hoffe, dass es noch eine weitere Möglichkeit für Nordlichter gibt. Und die gibt es – und wie!
Sonntag 26.2. – Hammerfest und Tromsø
Am Sonntag fühle ich mich besser. Beim Frühstück meinte ein Franzose, dass das Schiff so durchgeschüttelt wird, weil es klein ist und die Wellen von schräg hinten auf die Seite treffen, was nicht nur eine, sondern mehrere Bewegungen in verschiedene Richtungen zur Folge habe. Das scheint mir plausibel. Nachträglich habe ich dann erfahren, dass es auch andere Passagiere, die normalerweise nicht seekrank werden, erwischt hat. Auch heute scheint die Sonne und das Thermometer auf dem obersten Deck, Deck 8, zeigt 0°C. an, das ist warm, verglichen mit der Kälte von gestern in Kirkenes. Ich reserviere ein Billet für das Mitternachtskonzert in Tromsø, und nehme mir vor, mich vorher gut auszuruhen um ja nicht einzuschlafen am Konzert. Die Barentssee birgt riesige Naturgas-Vorkommen, die in der grossen Anlage Melea vor Hammerfest gekühlt und damit verflüssigt und von da aus verschifft werden. Jetzt steht bald die Ankunft in Hammerfest an – ein Traum, von einem Foto im Geographiebuch im Seminar hervorgerufen wird, geht in Erfüllung. Der Zusatz, dass Hammerfest auf 70°39‘ nördlicher Breite die nördlichst gelegene Stadt Europas ist, stimmt nicht mehr ganz. Seit kurzem besitzt Hønningsvag ebenfalls die Stadtrechte, und das liegt noch mehr im Norden. Da Hammerfest diese Rechte jedoch seit der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts besitzt, darf es die Bezeichnung behalten. Bei meinem Spaziergang durch die winterliche Stadt bekomme ich eine Ahnung, wie schwierig das Leben hier sein muss. Viele Gebäude im Zentrum hätten eine Renovation nötig. Vier verschiedene Kirchen/Religionsgemeinschaften habe ich im Zentrum angetroffen, Lutheraner, Methodisten, Adventisten und die Heilsarmee, die mir übrigens auch im Zentrum von Kirkenes aufgefallen ist. Es ist wichtig, zu einer Gemeinschaft zu gehören, wenn Kälte und Nacht wie hier Wochen, sogar Monate dauern und Abwechslung eher selten ist. So erkläre ich mir die dichte Konzentration verschiedener Kirchen. Die Polarnacht im Ort, der hauptsächlich vom Fischfang lebt, dauert ca. 2 Monate. Jetzt, Ende Februar, ist sie jedoch vorbei. Es ist gerade Messe, und die Leute kommen zum Teil in traditionellen Kleidern in die Kirche. Eine wichtige Beschäftigung an diesem Sonntagvormittag ist auch das Schnee räumen, vor vielen Häusern wird mit Schneeschaufeln hantiert. In letzter Minute gehe ich aufs Schiff zurück, die Brücke wird eingezogen, das Tor geschlossen und die MS Spitsbergen legt ab. Der Blick zurück auf die Stadt am Fjord, vor dem schneebedeckten Hügelzug und dem stahlblauen Himmel, ist sehr schön.
Geschichte der MS Spitsbergen
Die MS Spitzbergen, das neuste Schiff der Hurtigrutenflotte und noch kein Jahr im Einsatz, hat schon einiges zu erzählen. Das Schiff wurde 2007 in Portugal als Fähre gebaut. Während der Bauzeit wollte der Besitzer das Design ändern, was die Fertigstellung verspätete, schliesslich wollte er es nicht mehr und die Schiffswerft „hockte“ auf dem Schiff. Sie suchte einen Käufer. Ein erster Interessent (Hugo Javez) wollte die Fähre in Venezuela einsetzen, ein zweiter auf dem Amazonas in Brasilien, dann kaufte Hurtigruten das Schiff, höhlte es bis auf die Verschalung komplett aus und baute das Innere neu. 70 Mio. Euro hat die norwegische Gesellschaft dafür ausgegeben, 330‘000 Arbeitsstunden wurden eingesetzt. Heute ist die MS Spitsbergen ein Eisbrecher mit 4 Diesel-/Elektomotoren. Er besitzt keine Autosteuerung, alles ist manuell. Es gibt Platz für 330 Passagiere, aber keine Autos.
Das Intérieur der MS Spitsbergen ist modern, mit viel hellem Blau und hellem Holz. Auf mich wirkt das eher kühl und funktionell, das Jugendstil-Intérieur auf der MS Finnmarken hat mir viel besser gefallen. Deshalb wird die MS Finnmarken auch mein Lieblingsschiff bleiben. Die Ledersessel in der Lounge und der Bar auf der MS Spitsbergen sind jedoch sehr bequem und ich verbringe Stunden darin mit meinem Buch.
Mitternachtskonzert in Tromsø
Den Rest des Sonntags verbringe ich ruhig, um Mitternacht steht noch das Konzert in der Eismeerkathedrale in Tromsø an. Vor dem Kai warten Busse auf uns und bringen uns über die Brücke zur Kathedrale. Das verschneite Tromsø mit den vielen Lichtern ist wunderschön. Ich habe die Stadt vor vier Jahren schon erlebt, als ich mit der MS Finnmarken von Bergen bis hierhin fuhr. In der mit Kerzen beleuchteten, modernen Eismeerkathedrale ist die Stimmung feierlich. Eine Sopranistin und zwei Musiker tragen norwegische Volkslieder und klassische Musik von Eduard Grieg vor. Zum Abschluss singen sie das Lied „Guten Abend, gut Nacht…“, diese wunderbare Musik geht unter die Haut, es ist ein unvergesslicher Moment. Um 1:30 Uhr bin ich, noch ganz erfüllt von den Melodien, im Bett.
Montag, 27.2. – Lofoten
Am Montagmorgen schlafe ich aus und verzichte auf den Landgang in Harstad um 7:45 Uhr. Sonnenschein begleitet uns auch heute. Am Vormittag in einem Gebiet mit vielen Schären-Inseln, durch den künstlichen Kanal Risøyrenna. Harstad und auch Sortland, wo wir um die Mittagszeit anlegen, liegen auf der grössten Insel Norwegens (ausser Spitzbergen), Hynnøya. Ein Teil von Hynnøya gehört zu den Versterålen, der andere zu den Lofoten. In Stokmarknes, wo sich das Hurtigrutenmuseum befindet, gehe ich an Land. Auf das Museum habe ich jedoch keine Lust, aber ich schaue mir das Denkmal des berühmtesten Einwohners des Ortes an: Richard With, der Kapitän, der die Idee mit der «hurtigen Route» (schnelle Route) hatte. Im Hintergrund sind bereits die bis 3600m hohen, verschneiten und steil ins Meer abstürzenden Berge der Lofoten sichtbar.
Die Orte im Norden leben alle vom Fischfang, der wichtigste Fisch in Norwegen ist der Kabeljau, der bis zu 50kg und 2m lang werden kann. Bei meinen Landgängen habe ich festgestellt, dass es wenige Läden gibt in den Orten, aber sicher immer ein Strickladen mit Wolle vorhanden ist. Norwegen ist nicht umsonst berühmt für seine handgestrickten Norweger-Pullover mit den Rentier-Mustern.
Die Fahrt durch den engen Raftsund Richtung Svolvær, dem Hauptort der Lofoten, ist eindrücklich. Die kleinen, rot bemalten Holzhäuser auf beiden Seiten des Schiffs scheinen zum Greifen nah. Als wir in Svolvær anlegen, ist es bereits Nacht. Ich besuche das romantische Quartier der Rorbuer, dies sind rot bemalte, ehemalige Fischerhütten, die heute an Touristen vermietet werden. Überall fallen die Holzgestelle auf, wo auf den Lofoten Dorsch getrocknet und dann als Stockfisch in die ganze Welt exportiert wird. Um ca. 22 Uhr überqueren wir den West-Fjord und verlassen damit das Gebiet.
Dienstag 28.2. – Nordlichter
Am Dienstag erwache ich um 6 Uhr und sehe durch mein Kabinenfenster einen weiteren klaren, schönen Morgen sich ankünden. Ich dusche schnell um vor 7 Uhr bei der Ankunft in Ørnes auf Deck zu sein. Bei der Ankunft ist der Himmel rosa gefärbt, die Lichter brennen noch in der Stadt und der Alltag beginnt. Danach fahren wir durch ein Schären-Gebiet, die aufgehende Sonne färbt den Himmel orange und rot und in der Schneelandschaft beidseitig unseres Schiffs ziehen wir an kleinen roten Holzhütten vorbei, einmalig! Den Polarkreis haben wir schon überquert, in dieser Gegend ist es viel angenehmer, der hohe Norden scheint weit weg – das ist er natürlich auch.
Auf dem Weg zur geografischen Mitte Norwegens (Brønnøysund) legt die MS Spitsbergen am Mittag ½ Std. in Sandnessjøen an. Eindrückliche Schiffe sind da im Hafen stationiert, riesige Katamarane, Ausflugsboote zur Helgeland-Inselgruppe. Am Nachmittag gibt es erstmals Wolken und Nebel, so dass die Berggruppe der sieben Schwestern, die sich südlich von Sandnessjøen befindet, nicht sichtbar ist. Brønnøysund ist eine Stadt mit Flughafen, nicht zu vergleichen mit den kleinen Nestern im Norden. 840km nördlich befindet sich das Nordkap und ebenfalls 840km in die entgegengesetzte Richtung, auf der Halbinsel Lindesnes, ist der südlichste Punkt Norwegens.
Das Nachtessen ist einmal mehr köstlich. Wir essen feinen, sehr zarten rohen Lachs und danach Ochsenroastbeef.
Um 1 Uhr nachts gibt es Nordlicht-Alarm. Ganz aufgeregt ziehe ich ein paar warme Sachen an über mein Nachthemd und renne auf Deck 8. Aus anderen Kabinentüren stürmen auch komisch angezogene Passagiere, und wir bewundern alle auf der Steuerbordseite einen hellen grünen Bogen, der sich nicht sehr hoch über dem Horizont befindet. Am linken Ende des Bogens gibt es grüne Schleier, die sich ganz langsam bewegen. Auf Backbord beobachte ich gelbe Lichter, es scheint, als wäre der Himmel über dem Horizont in gelben und grünen Flammen. Nach 45 Min. habe ich kalt, und obwohl die Lichter noch andauern gehe ich zurück unter die warme Decke. Magisch an den Nordlichtern sind für mich die Farben und diese langsamen Bewegungen. Die Erklärung für dieses Phänomen ist keine Magie: Geladene Teilchen von Sonnenwinden gelangen in die Erdatmosphäre und bringen hier Teilchen zum Glühen.
Mittwoch 1.3. – Trondheim
Die Nacht ist kurz, denn die MS Spitsbergen fährt um 6:30 Uhr in Trondheim ein. Zum Frühstück gibt es nur einige Früchte und Knäckebrot um der Verstopfung, die mich seit einigen Tagen plagt, entgegen zu wirken. Neben uns liegt die riesige, eindrückliche MS Trollfjord im Hafen, ich darf sie kurz besuchen und bin auch vom Innern beeindruckt. Es gibt viel Holz und die Farben des Wassers, Türkis und verschiedenen Blautöne. Das Innere der MS Spitsbergen scheint mir dagegen fad. Anschliessend gehe ich dem Fluss Nidelva mit den farbigen auf Holzpfählen gebauten ehemaligen Speicherhäusern entlang. Das Ziel ist der Velo-Lift, es soll weltweit der Einzige sein. Er führt gerade neben der berühmten alten Holzbrücke, Gamle Bru, den Mokklenberg hoch. Im Winter ist er natürlich geschlossen. Ich sehe den Billet-Automaten mit einer Anleitung und die Schneise im Boden für das Drahtseil. Wenn ich es richtig verstehe, setzt man einen Fuss anstatt auf die Velopedale, auf eine Pedale am Drahtseil und wird so hoch gezogen. Beim Rückweg zum Kai, komme ich ein wenig in Stress, als ich feststelle, dass ich mit meinem Stadtplan in die falsche Richtung laufe. Es reicht aber trotzdem noch, mir in einer Butikk (norwegisch für Boutique) eine norwegische Strickjacke zu kaufen, bevor die MS Spitsbergen die Reise fortsetzt.
Schlittenfahrt mit Huskys
Der Ausflug in die Marmor-Mine Bergtatt, den mir mein englischer Freund Bryan White empfohlen hat, wurde annulliert wegen zu wenigen Teilnehmern. Nach langem Zögern und Überlegen (Kosten Fr. 350.-), habe ich mich für einen Ersatz entschieden, eine Schlittenfahrt mit Huskys. Das Plakat vis-à-vis von Hilde’s Büro (Reiseleiterin) hat mich auf die Idee gebracht, einmal so etwas zu versuchen. Es wurde das schönste Erlebnis meines Lebens! Wir sind eine kleine Gruppe, 3 Inderinnen, ein englisches Paar, ein junger Norweger und ich werden in Kristiansund von einem Minibus abgeholt und während ca. 11/2 Std. in die Berge gefahren. Zu Beginn gibt es kaum Schnee, und ich befürchte, dass wir keine Winterlandschaft mehr vorfinden. Es nachtet schon langsam ein, als wir, im Schnee, bei einer Ansammlung von roten, typischen Holzhäuschen, mit Kerzen und einem Feuer beleuchtet, aussteigen. Es geht gleich los. Ich ziehe einen warmen Overall an (wäre nicht nötig gewesen, ich war schon sehr warm angezogen) und ich will auf einem Schlitten stehen und nicht warm eingepackt sitzen. Unser Gespann besteht aus 8 ungeduldigen Hunden, einem Schlitten, in dem die indische Grussmutter sitzt mit dem Musher dahinter, und ca. 3m hinten, mit einigen Seilen verbunden, mein Schlitten. Einer der Helfer gibt mir eine kleine Einführung und ich verstehe, dass ich mich wie beim Skifahren (Gewicht verlagern, in die Knie gehen um abzufedern) und wie mit dem Scooter verhalten muss (in die Kurven liegen). Die Hunde können nicht mehr warten, und mit einem Ruck geht’s los. Mittlerweil ist es fast Nacht geworden, viele Sterne und eine Mondsichel leuchten am Himmel und die Hunde ziehen uns durch eine wunderschöne Landschaft mit Wald, Lichtungen und verschneiten Feldern. Es ist sehr anstrengend, immer auf die Zeichen des Mushers zu achten, die Schuhe auf den superschmalen Kufen zu halten und schnell immer wieder auf die Bremse zu wechseln. Ich schwitze. Es gelingt mir sehr gut, ich stürze nur einmal mitsamt Schlitten, der Führer kann das Gespann jedoch sofort anhalten. Im Hintergrund sehen wir noch eine beleuchtete Sprungschanze, sie ergänzt das typische Bild von Skandinavien. Das Ganze ist so einmalig schön, ohne Motor (nur grüne Energie, mit viel Fleisch und Liebe gefüttert) durch diese Gegend gezogen zu werden. Nach einer Stunde sind wir wieder beim Ausgangspunkt und ich wäre gerne noch weiter gefahren. Zurück in der Hütte gibt es Tee und Kuchen und wir haben Zeit, uns untereinander und mit den Organisatoren und Helfern zu unterhalten. „Mein“ Musher kann sich kaum erholen, wie schnell ich gelernt habe und wiederholt immer wieder: „You were so good!“, da bin ich natürlich ein wenig stolz 😉
Der Minibus fährt uns anschliessend, nur ca. 20 Min., nach Molde, wo auch schon bald die MS Spitsbergen eintrifft. Unserer Gruppe wird daraufhin im Bistrot das Nachtessen serviert. Es sind sehr sympathische Leute und wir unterhalten uns gut und lange. Es ist mi sehr wohl, und wir sind uns alle einig, dass wir einen unvergesslichen Abend erleben. Todmüde falle ich danach ins Bett – und nur eine Viertelstunde später geht der Nordlicht-Alarm los. Schnell ziehe ich mich wieder an und stürme auf Deck 8. Diesmal leuchtet der halbe Himmel grün. Während ca. 45 Min. beobachte ich die langsamen Bewegungen der Lichter, dann bin ich aber einfach zu müde und gehe definitiv ins Bett.
Donnerstag, 2.3. – Bergen
Als ich frühstücke am nächsten Morgen legt das Schiff in Florø an. Ich esse zu viel und entscheide, das Mittagessen weg zu lassen. Es ist der letzte Tag, wir fahren nach Bergen zurück. Der Himmel ist grau und die Landschaft braun, da kein Schnee mehr liegt hier im Süden. Die Koffer habe ich gepackt und die Kabine geräumt und ich bleibe vor allem draussen an der frischen Luft und geniesse die Ruhe. Um 14:30 Uhr legen wir in Bergen an. Meine Ferien sind jedoch noch nicht zu Ende.
Das Radisson Blu Hotel in Bryggen ist topmodern, das Zimmer freundlich, hell, aber es gibt kaum Tageslicht. So gehe ich in die Stadt, trotz feuchter Kälte und Regen. Bergen macht heute seinem Ruf alle Ehre: Es soll hier an 300 Tagen pro Jahr regnen. Ich freue mich, wieder im ehemaligen Hanse-Quartier Bryggen mit den bunten schiefen Holzhäusern zu sein. Ich kaufe Souvenirs, trinke Cappuccino und esse eine Zimt-Schnecke dazu und gehe zu Fuss auf Entdeckungsreise in Bergen. Am Abend will ich etwas Typisches aus der Region essen: Es gibt Salat mit geräuchertem rohen Hering, Kartoffelsalat und Randen, dazu ein Bier. Vor dem Einschlafen noch ein Kamillentee und NRK, norwegisches Fernsehen, mit Husky-Schlittenfahrten. Am nächsten Morgen klingelt der Wecker wieder früh. Der Bus zum Flughafen hält direkt vor dem Hotel. Ich geniesse die Fahrt durch das erwachende Bergen. Am Flughafen gibt es keine nette Person an einem Schalter, die das Check-In vornimmt, sondern nur Automaten, die nicht funktionieren oder ich nicht zu bedienen weiss. Schliesslich checke ich über die SMS, die ich am Tag vorher von SAS erhalten habe, ein. Nach der Sicherheitskontrolle will ich noch die Mehrwertsteuer zurückverlangen für das Gekaufte. Gemäss den Anweisungen habe ich diese Sachen im Handgepäck, und ich muss für jeden Kauf ein Formular mit ID-Nr. etc. ausfüllen. Das ist so kompliziert, dass da wohl der eine oder andere die MwST in Norwegen lässt, was wahrscheinlich auch das Ziel ist?
Der Flug nach Kopenhagen vergeht im Nu. Da ich erst um 17 Uhr nach Genf weiterreise, entschliesse ich mich, meinen Plan, auch hier einen Abstecher in die Stadt zu machen, fallen zu lassen. Die ganze Sucherei, wie die öffentlichen Verkehrsmittel funktionieren, den Weg suchen etc. ist mir zu viel. Mit ein wenig Shopping, schreiben und lesen verbringe ich den Nachmittag ruhig im Flughafen. Wie bei allen andern Flügen ist das Flugzeug nach Genf voll und alles klappt bestens. Bernard erwartet mich und wir gehen – eine Pizza essen.
Es tut gut aus dem Alltag auszubrechen. Das muss gar nicht lange sein. Davor ist die Vorfreude, und nun zehre noch Monate von den einmaligen Erlebnissen.
Hier einige unvergessliche Momente in Bildern: