Der Flug mit Swiss ist angenehm an diesem Samstagnachmittag. Unser kleines Hotel Pensão Londres befindet sich im Herzen der portugiesischen Hauptstadt auf einem der 7 Hügel im Stadtteil Bairro Alto (Oberstadt). Wir sind bereit und neugierig diese Stadt zu entdecken, die allen zu gefallen scheint. Unser Zimmer ist groß mit einem wunderschönen Blick auf die Stadt und den Tejo, die Brücke des 25. April, die kleine Schwester der Golden Gate Bridge, und die riesige Statue von Cristo Rei auf der anderen Seite des Tejo.
Wir beginnen unseren Spaziergang in unserem Quartier. Es dauert nicht lange und das erste Elétrico, ein altes gelb bemaltes Holztram fährt quitschend den Hügel hinauf. Es gibt auch die Elevadores, die wie die Trams aussehen, sie sind jedoch eine Art Standseilbahn, um einen Hügel rauf oder runter zu fahren. Der Elevadores da Gloria führt uns zur Praça de Restauradores, ein Platz, der sich auf der Höhe des Tejo befindet. Wir freuen uns immer, eine dieser altmodischen Strassenbahnen in den engen Gassen anzutreffen, weil da auch immer etwas Nostalgie mitfährt. Die beiden Kirchen San Pedro de Alcãntara und Sâo Roque in unserem Viertel Bairro Alto beeindrucken uns. Ihr Interieur ist eine Kombination aus vielen goldenen Ornamenten und Azulejos. Ich kann nicht aufhören, Fotos von den Azulejos zu machen. Azulejos sind Keramikfliesen, die grundiert werden und dann mit verschiedenen Mustern verziert, insbesondere mit hellblauer, grüner, honigfarbener und brauner Farbe. Sie stammen aus der Zeit, als Portugal arabisch war. In Lissabon sind sie überall zu sehen, viele Häuser sind ganz oder teilweise damit eingekleidet, was der Stadt einen arabischen Touch verleiht. Das Azulejos-Museum ist absolut sehenswert, es gibt hier einige einfach großartige Werke zu bewundern.
Mit der wiederaufladbaren Karte Viva Viagem für den öffentlichen Verkehr fahren wir am Sonntag mit dem Zug nach Belém. Die Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist nicht kompliziert. Alles ist gut organisiert und an den Kassen helfen Assistenten den Touristen ihre Karte aufzuladen. Belém, wo der Tejo in den Atlantik mündet, ist der Ort, an dem wir uns an die Zeit erinnern, als Portugal eine Nation von Entdeckern und großen Seeleuten war. Vasco da Gama ist 1497 von Belém nach Indien aufgebrochen. Laut Reiseführern befindet sich die beste Bäckerei Lissabons auch in diesem Stadtteil und wir wollen die berühmten Vanilletörtchen mit Zimt und Puderzucker, die «Pasteìs de Nata» natürlich versuchen und stellen uns vor der Bäckerei in die Warteschlange. Das Warten lohnt sich, wir finden sie ausgezeichnet, es reicht uns jedoch für die ganze Woche, weil sie wirklich ‚heavy‘ sind. Leider sind die Elétricos völlig überfüllt, so dass wir mit dem Bus in die Stadt zurückkehren, auf die schöne und große Praça de Comércio am Ufer des Tejo. Abends essen wir noch etwas in der gemütlichen Esplanada im Park neben unserem Hotel, dieses kleine Lokal wird mein Lieblingsplatz und wir gehen noch mehrmals hin diese Woche.
Am Montag ziehen wir durch die Gassen unseres Quartiers, aber auch durch Chiado, das südlich von Bairro Alto am Tejo liegt. Am Kiosque beim Miraduro Santa Catharina geniessen wir den Blick auf die Stadt und den Tejo bei einem Kaffee. Die meisten Häuser in Lissabon sind schneeweiss, aber es gibt auch gelb-weiß, hellblau oder rot-weiß gestrichene; dies sind, zusammen mit der Terrakottafarbe der Dachziegel, die Farben von Lissabon. Übrigens, der Kaffee ist überall exzellent, wir finden ihn ebenso gut wie in Italien.
Im Elétrico 28, mit dem man, gemäss den meisten Reiseführern, eine Stadtrundfahrt machen soll, können wir keinen Platz finden. Die Touristen sind hier zusammengepfercht wie Sardinen in Konserven. Schliesslich steigen in das Elétrico 24 ein, dieses Tram ist weniger bekannt, aber es gibt einen Sitzplatz.
Um die Altstadt Alfama zu besuchen nehmen wir die U-Bahn. Alfama, das während des großen Erdbebens 1755, das einen Großteil von Lissabon zerstörte, verschont blieb, ist ein Labyrinth aus engen Gassen, weißen und mit Azulejos dekorierten Häusern und vielen Lokalen für Fado, der typisch portugiesischen, melancholischen Musik. Überall hier sind viele Touristen, da die riesigen Kreuzfahrtschiffe hauptsächlich im September und Oktober in der portugiesischen Hauptstadt anlegen.
Am Abend essen wir zum ersten Mal Bacchalau (getrockneter Kabeljau aus Norwegen), Portugals Nationalgericht. Wir sind jedoch nicht begeistert, weil er viel zu salzig ist! Bei einem zweiten Versuch an einem anderen Tag wurde das Salz besser entfernt und da finde ich den Fisch gut. Wir trinken immer guten portugiesischen Wein, entweder aus der Region Alentejo oder dem Duro-Tal, im Norden des Landes. Wir probieren auch den berühmten Portwein, dies ist eine Mischung aus roten Weinen, der ungefähr ¼ Brandy hinzugefügt wird.
Am Dienstagmorgen beschließen wir, den Tejo zu überqueren und zur Statue von Christo Rei zu gehen, die wir von unserem Zimmer aus sehen. Mit dem Cacilheiro, der Fähre, fahren wir nach Almada, dann mit dem Bus auf den Hügel, wo diese 28 Meter hohe Statue auf einer 80 Meter hohen Plattform in den Himmel ragt. Nach dem Aufstieg mit dem Lift bewundere ich die Aussicht über die ganze Region (Bernard kommt nicht mit, er bleibt lieber auf dem Boden). Die Statue wurde dank Spenden von portugiesischen Frauen gebaut, um Gott zu danken, dass Portugal nicht in den Zweiten Weltkrieg hineingezogen wurde.
In Lissabon gibt es nicht nur die Elétricos, sondern auch die Tuk-Tuks, das sind oft elektrische, dreirädrige Piaggio Fahrzeuge. Am Donnerstag fahren wir mit einem solchen durch das historische Zentrum, mit Joâo, einem sympathischen, französischsprachigen Reiseleiter und Fado-Sänger. Er weiss uns vieles zur Geschichte von Lissabon und Portugal zu erzählen, währenddem wir die engen Gassen hinauf- und hinunterfahren. João nennt uns auch den Namen einer kleinen Fado-Bar in unserem Quartier, wo wir dann noch einen typischen Fado-Abend geniessen.
Dem Bezirk Moraria geben wir den Übernamen China und India Town, da die Geschäfte meist chinesisch oder indisch sind. Eine Überraschung erleben wir im Casa d’Alentejo, das hinter einem unbedeutenden Äußeren einen orientalischen Palast wie aus 1001 Nacht verbirgt. Wir entdecken ihn zufällig durch die halb geöffnete Tür eines Lieferanteneingangs.
Bevor wir nach Hause zurückkehren, erfahren wir noch etwas zur Geschichte der Pensão Londres – das Haus hat keine Verbindung zu London, es ist ein Staatsgebäude, das vom Militär besetzt war. Zwischen 1908 und 1912 lebte der erste Präsident der Republik hier im 5. Stock – ich verstehe, warum er sich für dieses Gebäude entschieden hat, unser Zimmer liegt im vierten Stock und der Blick auf die Stadt ist wirklich großartig. Seine Familie (3. Generation) lebt übrigens immer noch im 5. Stock des Gebäudes.
Während unseres Aufenthalts in Lissabon entdecken wir eine neue Kultur und eine andere, einladende, interessante und vielfältige Stadt. Das Interesse auf weitere Reisen nach Portugal ist geweckt.
1. – 6. September 2018