Vor der Fahrt ins Berner Oberland haben wir die Wetterprognosen studiert und gesehen, dass uns, wenn nicht noch ein meteorologisches Wunder geschieht, keine sommerliche Woche bevorsteht.

Der erste Ausflug führt uns entlang dem Bienzer- und dem Thunersee nach Steffisburg, wo mein Gotti in einer Seniorenwohnung lebt. Die Freude ist beidseitig gross, sich wieder einmal zu sehen und wir verbringen einen sehr angenehmen Nachmittag zusammen bei Café, Dessert und Spaziergang. Auf der Rückfahrt besuchen wir den Park des Schlosses Oberhofen, das heute ein Museum ist. Es wurde um etwa 1200 gebaut und gehörte eine gewisse Zeit den Habsburgern.

Im 500-Einwohner-Dorf Brienzwiler haben wir in einem der schönen Holzhäuser der Ortschaft eine Wohnung gemietet. Brienz und sein See sind ca. 7km entfernt. Brienzwiler liegt am Eingang des Haslitals am Hang, über der Aare-Ebene mit der Piste des Flugplatzes Meiringen. Dass dieser Flugplatz noch in Betrieb ist, stellen wir am Montagvormittag fest, als zwischen den Felswänden des Haslitals mit ohrenbetäubendem Lärm der erste F/A18 Militärjet in die Wolken donnert. Die Starts und Landungen der Flugzeuge begleiten uns dann die ganze Woche – und wir schauen jeweils gebannt zu, weil ich immer noch fasziniert bin. Das Spektakel erinnert mich an die Stunden, die meine Freundin Barbi und ich im Sekundarschulalter auf dem Flugplatz Emmen am Pistenrand sassen, unsere Solex daneben abgestellt, und strahlten, wenn uns die Piloten auf dem Weg zur Startbahn aus ihrem Jet zuwinkten (ab und zu war Barbis Vater oder Bruder dabei) – das ist allerdings schon eine Weile her!
Auf der Wanderung entlang der Aare nach Meiringen stellen wir uns die aktuellen Fragen zur Militärjet-Flotte der Schweiz und diskutieren. Benötigt die Schweiz so eine Flotte noch? Kann sie es sich überhaupt noch leisten, oder müssten diese Geldsummen nicht dringend anders eingesetzt werden? Was ist dann mit all dem Know-how, das in diesem Bereich vorhanden ist und mit den Arbeitsplätzen?

In Meiringen angekommen entdecken wir den Wanderweg zur Aareschlucht und nehmen ihn, nach einer Pause im Tea Room, kurz entschlossen auch noch unter die Füsse. Wir wandern über dem milchigfarbenen Wasser, teilweise ist es sehr eng, und bis zu 180m hoch sind die Felswände, durch die sich der Fluss in zehntausenden von Jahren einen Weg durch den Kalkberg «Kirchet» gebahnt hat, der quer im Haslital liegt. Am anderen Ende der Schlucht blicken wir auf Innertkirchen und das obere Haslital, von wo die beiden Alpenübergänge Susten in den Kanton Uri und Grimsel in den Kanton Wallis führen. Zurück nach Brienzwiler nehmen wir ab Meiringen Zug und Bus, um unsere müden Beine zu schonen.

Mit der mit Dampf betriebenen Zahnradbahn nostalgisch und friedlich auf das 2300m hohe Brienzer Rothorn zu tuckern, diese Reise wollen wir uns nicht entgehen lassen. Nur der oberste Teil des Rothorns ist in den Wolken und wir können die tolle Aussicht auf den türkisfarbenen Brienzersee und das Tal geniessen. Oben angekommen ist es kalt und neblig. Die Steinböcke, die wir im Nebel ausmachen können, stehen immer am selben Fleck, das macht Bernard misstrauisch und er meint, dass das keine echten sind. Die Bahnangestellten bejahen schliesslich meine Frage, ob die Steinböcke hölzern sind, und lachen. Es soll aber auch echte Steinböcke geben auf dem Brienzer Rothorn. Wir stärken uns mit einer warmen Suppe und nehmen die nächste Bahn zurück nach Brienz. Die „Mungge“, die wir bei der Rückfahrt aus dem Zug beobachten, ist aber echt.
Die Hauptattraktion Brienzwilers ist das Freilichtmuseum Ballenberg. Sonst ist das Dorfleben eher nach innen gekehrt und für Touristen gibt es einzig im Dorfladen eine Möglichkeit, mit Einheimischen in Kontakt zu kommen. Am einzigen sonnigen Morgen unserer Ferienwoche profitieren Bernard und ich vom grosszügigen Angebot des Freilichtmuseums, seine Eingänge morgens früh für Spaziergänger zu öffen, die dann vor Kassenöffnung wieder draussen sein müssen. Um 6h30 sind wir also bereits auf den Beinen, der Museumseingang liegt nur ca. 400m von unserer Mietwohnung entfernt. Wir spazieren im ganzen Ballenberg und begrüssen die herzigen jungen Säuli, Zicklein, Esel und Kälber, die wir antreffen. Und manchmal grüssen sie sogar zurück 😉
Geiss mit Zicklein Ballenberg Kuh und Kalb Ballenberg
Ein weiterer Ausflug führt uns nach Grindelwald. Der Ort ist von imposanten Gipfeln, dem Wetterhorn, dem Schreckhorn, einem 4000-er und dem Eiger umgeben. Auch zum berühmten Lauberhorn, das wir von der Weltcup-Abfahrt her kennen, fällt unser Blick beim Betrachten des Panoramas. Unsere gemütliche Wanderung führt uns dem Bach Lütschinen entlang, wo uns in einem Wäldchen sogar ein stolzer Hirsch entgegen kommt. Er sucht jedoch schnell das Weite, als er uns entdeckt.

Am Heimreisetag strahlt, wie das oft so ist, die Sonne am blauen Himmel. Deshalb wählen wir die Route über das Simmental und den Col des Mosses und geniessen so etwas länger die wunderschöne Landschaft des Berner Oberlands, als wenn wir über die Autobahn zurückfahren würden. Trotz, oder vielleicht wegen dem regnerischen und kühlen Wetter war es eine erholsame und angenehme Ferienwoche. Dazu beigetragen hat ebenfalls meine Ferienlektüre, das wunderschöne Buch «Pawlowa» von Brian Sewell. Die Reise eines etwas verrückten Engländers, der mit seiner Eselin zu Fuss von Pakistan nach London reist – mit viel Herzlichkeit, Liebe und Humor geschrieben. Unbedingt zu empfehlen!
