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Tiere

Störrische Rosette

Rosette

Die Eselin Rosette und ich kennen uns schon einige Jahre. Schon mehrmals haben wir zusammen die Gegend am Jurasüdfuss in der Nähe von Yverdon erkundet. Es ist selten und einfach toll, dass es möglich ist, einen Esel für eine Wanderung von ein paar Stunden oder sogar ein paar Tagen zu mieten, ohne dass eine Begleitperson dabei ist. Auf meine Frage haben die Besitzer, die Familie Scheidegger in Vugelles, geantwortet, dass sie noch nie Schwierigkeiten gehabt haben mit dem Vertrauen, das sie den Esel-Mieterinnen und -Mietern entgegenbringen. Die kleine Gemeinde Vugelles-La Mothe liegt einige Kilometer nordwestlich von Yverdon im Tal des Arnon. An diesem sonnigen und warmen Sommertag habe ich das Picknick für den ganzen Tag im Rucksack, eine Tageswanderung ist vorgesehen. Meine Planung habe ich jedoch ohne einen störrischen Esel gemacht.

Ich nehme Rosette an der Leine und wir ziehen los. Zuerst ein Stück der Hauptstrasse entlang, dann biegen wir rechts ab in eine schmale Strasse, die auf der anderen Seite der Brücke über den Arnon leicht ansteigt auf eine Hochebene mit Feldern, Wäldern und einzelnen Bauernhöfen. Es gibt hier ein Netz von Naturwegen, ideal für eine Wanderung. Rosette bleibt aber schon bald stehen und ich muss ihr gut zureden, damit sie weitergeht. Nach einem weiteren Stück hält sie wieder an. Ich entscheide mich, rechts den flachen Weg zu nehmen, der dem Arnon entlang führt. Da kommen wir vorwärts, Rosette trottet gemütlich neben mir her und ich geniesse den ruhigen, friedlichen Spaziergang an diesem sonnigen Vormittag. Etwas später stelle ich fest, dass dieser Weg über eine zweite Brücke über den Arnon zurück in die Hauptstrasse mündet. Das will ich nicht — wir kehren um. Zurück auf der Strasse, die auf die Hochebene führt, bockt Rosette wieder, sobald es aufwärts geht. Diesmal nützt alles Zureden nichts. Wir gehen ohne Stop zurück zur ersten Brücke; vielleicht bringe ich Rosette nun dazu, jetzt wo sie „in Fahrt ist“, über den Weg, der links abbiegt, auf die Hochebene zu kommen? Meine Zuversicht hält nicht lange an, sobald der Weg ansteigt, bleibt Rosette wieder stehen und ist nicht mehr vom Fleck zu bewegen. Zureden, stossen, sogar ein leichter Klaps mit einem Ast auf ihren Hintern, alles nützt nichts. Ich zerre mit aller Kraft an der Leine, bis ich einen Schmerz im Rücken spüre, Rosette bewegt sich nicht vom Fleck. Langsam verliere ich die Geduld. Es ist inzwischen Mittag und eine Pause wird beiden guttun. Ich befreie Rosette von Rucksack, Gepäckgestell und Decke, die sie ihrem Rücken trägt und binde ihre Leine an einen Pfosten, so dass sie von den feinen Kräutern und Gräsern am Wegrand fressen kann. Ich packe mein Sandwich aus und setze mich auf einen Stein daneben in die Sonne.

Bei der Mittagspause

Gestärkt und ausgeruht nach der Mittagspause, hoffe ich nun endlich vorwärts zu kommen. Der störrische Esel bockt aber auf beiden Strassen, die zur Hochebene ansteigen. Schliesslich spazieren wir noch einmal dem Arnon entlang, da ist es flach und das scheint Rosette zu gefallen. Danach geht’s nach Hause. Mit ein paar Tipps von der Besitzerin der Esel versuche ich es nochmal. Wenn es aufwärts geht, bleibt die Eselin aber wieder stehen. Ich sage mir, dass die Tiere wie die Menschen auch bessere und weniger gute Tage haben. Es nützt nichts, etwas erzwingen zu wollen. Wir nehmen noch einmal den flachen Weg dem Bach entlang und machen am Ufer eine Pause, bevor es dann definitiv zurück nach Hause geht und Rosette auf dem Feld ihre Kameradinnen und Kameraden wieder findet.

Pause am Arnon

Das war anstrengend heute und Rosette hat mich gefordert. Während ein paar Tagen muss ich nun meine leichte Muskelzerrung pflegen, die ich mir beim Zerren an Rosettes Leine zugezogen habe. Das Zusammensein mit der Eselin habe ich aber trotzdem genossen und ich freue mich auf das nächste Mal (hoffe aber, dass Rosette einen besseren Tag hat, sonst begleitet mich dann eine ihrer Kameradinnen oder einer ihrer Kameraden).