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Unterwegs

Provence – 2025

Alles ist still, Bernard und unsere Freunde Peter und Marie-Louise schlafen noch, als ich vom Weiler Petit Jas in St-Martin-de-Castillon, am frischen Herbstmorgen den Hügel hinauf ins Dorf spaziere. Wir sind im Luberon. Der mediterrane Duft der Garrigue-Sträucher liegt in der Luft. Im Dorf angekommen, erreichen auch die ersten Sonnenstrahlen zuerst den Kirchturm und kurz nachher das ganze Dorf. Und sogleich strahlen die beigen Häuser mit ihren pastellfarbenen Fensterläden eine sommerliche Wärme aus. Auf der anderen Seite des Tals liegt nun auch der vollständig mit Eichenwald bedeckte Hügelzug des Luberon nicht mehr im Schatten. Im ganzen Tal sind zwei kleine Dörfer und ein paar Weiler sichtbar, sonst nur Natur. Die Strasse zwischen Cerest und Apt ist nicht sichtbar, der Arbeitsverkehr bringt aber doch einigen Lärm in diese friedliche Gegend.

Im berühmtesten aller Düfte der Provence baden wir beim Besuch der Lavendel Destillerie Les Agnel in der Nähe von Apt. Es gibt nicht einfach nur einen Lavendelduft. Beim Probe-Riechen erkennen wir einen Unterschied zwischen reinem und Hybrid-Lavendel (Lavandin), der vor allem für die Duftölproduktion genutzt wird. Ich mag den Lavendelduft sehr und stelle es mir sehr angenehm vor, in so einer Umgebung zu arbeiten.

Den Luberon und das Departement Vaucluse verlassen wir ein paar Tage später und fahren über die Durance nach Gréoux-les-Bains (Departement Alpes de Haute Provence). Den sympathischen Kurort am Verdon inmitten des wunderschönen Verdon Naturparks kennen wir bereits. Das Lou Paradou im grossen, ruhigen Park auch. Kurzfristig haben wir noch das letzte freie Studio buchen können.

Die Abende sind immer noch sommerlich warm. Im Restaurant Les Lilas finden wir, was uns gefällt – eine kleine Menukarte mit hausgemachten Leckereien und einen Garten mit ein paar Tischen, etwas abseits gelegen. Wir kommen mehrmals hierher und werden fast zu Stammgästen, Bernard probiert sogar die ganze Menükarte durch. Die Crème brûlée à la lavande mit Lavendeleis ist so köstlich, dass ich nie darum herumkomme. Beim Dessert gibt’s für mich immer dasselbe.

Der schönste aller Seen, der Lac d’Esparron mit seinem türkisblauen Wasser, liegt ganz in der Nähe. Mit einem Kanu paddeln wir über den ruhigen See und in die Verdonschlucht hinein, wo rechts und links steile Felswände senkrecht in die Höhe ragen. Niemand gleitet so ruhig dahin und schaut so glücklich drein wie wir und einige andere Paddler. Trotzdem hört Bernard nicht auf sehnsüchtig den Elektrobooten nachzuschauen, die uns überholen. Nächstes Mal komme ich wohl nicht drum herum, ihn auf einem Elektroboot zu begleiten.

Der Besuch der Olivenmühle von Gréoux ist sehr interessant. Aglandau ist die vorherrschende Olivensorte in der Provence. Die Schritte von der Olive zum Öl: Zerkleinern der Oliven mit Stein, Zufügen von Wasser, auspressen, filtrieren. Die Durchschnittstemperatur ist ca. 26°C, alles wird kalt gepresst.

Eine Überraschung ist der Ausflug nach Manosque. In der Altstadt stehen wir immer wieder auf einem charmanten Platz mit einem Bistrot unter Platanen. Auf dem Weg zum Museum Jean Giono machen wir eine nette Bekanntschaft mit einer Frau, die ich nach dem Weg frage. Schnell finden wir eine Gemeinsamkeit: ihre Grossmutter war auch Luzernerin. So ergibt sich ein Thema nach dem anderen und wir gehen schwatzend und diskutierend zusammen bis zum Museum. Der bekannte Schriftsteller Jean Giono wurde in Manosque geboren. In seinen Texten beschreibt er seine Gegend so genau, dass ich mich gleich mittendrin fühle. In der Ausstellung notiere ich mir sein Zitat über das Älterwerden, das mir sehr gut gefällt: Il importe de rajouter de la vie aux années plutôt que des années à la vie (Wichtiger als dem Leben Jahre anzuhängen ist, den Jahren Leben hinzuzufügen)!

In der schönen Kirche von Gréoux kommen wir in den Genuss von korsischer Musik mit Polyphonie. Ein wunderbares Konzert der Gruppe Accentù im ausverkauften Haus.

Wenn wir jeweils auf der Autobahn von Sisteron herkommen, fällt uns die Felsformation, Les Pénitants des Mées, in Deutsch: die Mönche von Mées, auf. Sie ist über 100m hoch und befindet sich in der Gemeinde Les Mées. Gemäss der Legende sollen die Mönche einen zu ausschweifenden Lebenswandel geführt haben, so dass Gott sie zur Strafe versteinerte. Für jene, die nicht an Legenden glauben, ist ihre Form geologisch zu erklären. Am Samstag fahren wir nach Les Mées und folgen dem Weg auf die Felsen steigt. Die Aussicht von da oben auf das Tal der Durance ist den Aufstieg wert.

Am Sonntagvormittag fahren wir nach Vinon an den Markt. Der Duft von frischem Brot, Melonen, Nougat, Lavendel, Honig, um nur einige zu nennen, zieht uns sogleich zum Sektor mit den Lebensmittelständen. Wir kaufen hier Gemüse und Früchte für zu Hause ein, denn am nächsten Tag gehts nach Genf zurück.

Erholt nach den angenehmen Sommertagen in der Provence, ohne von den angekündeten Streiks betroffen zu sein, fahren wir über die Alpen zurück: durch die hügeligen Landschaften des Vallée du Büech und das Naturschutzgebiet Vercors mit dem Col de la Croix Haute nach Grenoble und von da über die Autobahn nach Genf.