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Unterwegs

Bretagne

Wir fahren die 870 km nach Saint-Malo in 2 Tagen, mit einer Übernachtung in Tour. In der Stadt der Korsaren wohnen wir 3 Nächte im Manoir de Cunningham, einem kleinen Hotel im englischen Stil, das gegenüber der Altstadt und nur 15 Min Fussweg vom Fähren Terminal nach Jersey entfernt liegt. Praktisch für uns, denn für unseren Tagesausflug auf die englische Insel müssen wir morgens um 6h30 dort eintreffen.

Von Saint-Malo aus gingen die Korsaren im Mittelalter auf Beutezug um feindliche Schiffe anzugreifen und zu plündern. Dazu haben sie die Erlaubnis des Königs. Piraten tun dasselbe, aber sie plündern auf eigene Faust und handeln deshalb illegal. Ich besuche die « Etoile du Roy », eine für Filme eingesetzte Nachbildung eines Korsarenschiffs aus dem 17. Jh. Dabei bekomme ich einen Eindruck des unmenschlichen Lebens, das damals an Bord herrschte: strengste Disziplin, nicht genug zu essen, keine Kleidung gegen die Kälte, Krankheiten, Schlafen in der Hängematte im stinkenden Unterdeck, unvorstellbar.

Eine spezielle Atmosphäre von Seefahrt, Abenteuer und Piraten ist in den Gassen der Altstadt und auf dem Rundgang auf den Stadtmauern spürbar. Es gibt sehr viele Touristen.

Für die 1 ½-stündige Reise nach Jersey fährt die riesige Condor Fähre bei Sonnenaufgang los. Wir sitzen ganz vorne am Panoramafenster mit Blick aufs Meer, Kaffee und Croissant sind heute ein besonderer Genuss. Nach der Ankunft in Jerseys Hauptort, der kleinen sympathischen Stadt Saint-Hélier, schauen wir uns im Zentrum um. Die vielen Banken im bekannten Steuerparadies fallen uns sofort auf. Am Nachmittag bleiben wir in einem Aussenquartier und am riesigen Strand. Davor besuchen wir das Museum, das uns einen Einblick in die komplizierte Geschichte der Insel gibt, die einmal zu Frankreich und dann wieder zu England gehörte. Heute ist sie, zusammen mit den anderen Kanalinseln, autonom. Für die Einreise müssen wir übrigens den Pass vorweisen.

Als nächstes führt uns unsere Reise über Dinan nach Perros-Guirec, an die Côte de Granit Rose im Norden der Bretagne. Die schöne, mittelalterliche Altstadt Dinans mit vielen alten Fachwerkhäusern ist ein Besuch wert, vor allem an diesem sonnigen und warmen Tag.

In Perros-Guirec, an der Côte de Granit Rose, haben wir ein kleines Haus gemietet. Von Beginn weg sind wir begeistert von der Lage – direkt an einem Meeresarm des Ärmelkanals im Hafen von Ploumanac’h  – der Einrichtung und den netten Besitzern. Sie empfangen uns mit hausgemachtem Far breton, einer feinen bretonischen Spezialität mit Dörrzwetschgen (ein Gratin). Der Meeresarm leert sich bei Ebbe komplett, und bei Flut füllt er sich zu einem See. Da wir am Herbstanfang mit Tag- und Nachtgleiche hier sind, erleben wir die grössten Gezeitenunterschiede des Jahres. Das ist sehr eindrücklich.

Viele Touristen baden, fahren Velo oder wandern an der Küste mit dem rosaroten Granit. Überall gibt es Sandstrände mit riesigen, von der Erosion abgerundeten Granitblöcken. Manchmal sind sie aufgetürmt zu einem Chaos, wie sie es hier nennen. Granitblöcke liegen auch in den Gärten, zwischen Häusern, Wege führen um sie herum – sie gehören zur Landschaft. In der Sonne oder bei Sonnenuntergang haben sie einen orange-roten Schimmer, einzigartig und wunderschön. Vor 300 Mio Jahren ist der Granit aus Magma, das sich langsam abgekühlt hat, entstanden.

Im Hafen von Trébeurden finden wir endlich Platz in einem Restaurant, das zu unserem grossen Vergnügen Meerfrüchte serviert. Die Restaurants sind meistens voll, man muss Plätze reservieren. Da wir aber spontan unterwegs sind und vorher oft nicht wissen, wo wir am Abend sind, kaufen wir meistens unterwegs etwas ein und kochen selber in unserer bestens ausgerüsteten Küche – und das ist so gut wie im Bistrot: Limande sole, Lammkotletten, Artischocken, Moules frites oder Langusten beispielsweise, mit einen Glas Rotwein aus Chinon (Tal der Loire).

Die kleine Küstenstadt Paimpol besitzt noch einen aktiven Fischerhafen, sie ist ca. 50 km von uns entfernt. Auf einer sonnigen Terrasse im farbenfrohen Hafen essen wir hier Salat und Cidre – und plötzlich frage ich mich, warum die Boote hier im Wasser sind? Bei der Hinfahrt haben wir doch gesehen, es ist Ebbe und das Meer hat sich sehr weit zurückgezogen. Auf der Suche nach einer Erklärung finden wir später eine geschlossene Schleuse, die das Wasser im Hafen zurückhält, und alles ist klar. Die Seemänner aus Paimpol segelten im Mittelalter bis nach Neufundland, um Dorsche zu fischen. Und anfangs des 20. Jh. fischten sie in Islands Gewässern.

Mit seiner angenehmen Wassertemperatur von 17° lädt mich der Kanal täglich zum Schwimmen ein. Damit ich auch Wasser finde am Strand, achte ich auf die Zeiten der Flut, denn bei Ebbe ist das Meer weit weg mit den grossen Gezeitenunterschieden. Wir beobachten leidenschaftliche Surfer, die ihr Brett mehrere 100m durch den Schlamm tragen, bevor sie endlich aufsteigen können. Meistens jogge ich von unserem Haus 10 Min bis zum wunderschönen Tourony-Strand. Er ist von enormen Granitblöcken eingerahmt. Auf einer kleinen Insel davor steht, von ein paar Bäumen umgeben, das Schloss Costaères, wie ein Zauberschloss aus einer bretonischen Legende. Und morgens blickt rechts im Hintergrund noch der Leuchtturm Men-Ruz. Nach der Lektüre einiger bretonischer Legenden beflügelt das Schloss meine Fantasie und im Wasser liegend stelle ich mir vor, wie die Insel von Korrigans (Zwergen) bewohnt ist.

Eine wunderschöne Küstenwanderung um die Ile Grande (nördlich von Trébeurden) führt uns abwechslungsweise durch ein wildes Naturschutzgebiet, einem kleinen Hafen entlang mit im Schlamm liegenden Booten oder vorbei an Villen in herrlichen Parks.

Zum Abschluss unseres fast zweiwöchigen Aufenthalts im Tregor geniessen wir Crêpes, wie üblich ein salziges aus Buchweizenmehl und zum Dessert ein süsses. Der Kir Breton, Cidre mit Cassis-Sirup, wird hier unser bevorzugtes Apéro-Getränk.

Wir verlassen die Côtes d’Armor gen Süden durch den Armorique Naturpark nach Châteaulin. Dunkle Wolken am Himmel, kaum ein Haus und ein unglaublich starker Wind bilden den passenden Hintergrund für die Durchquerung der sagenumwobenen Gegend um die Monts d’Arrée. Wir « erklimmen » sogar den höchsten «Berg» der Bretagne, den Montagne Saint-Michel (389 m).

In Châteaulin besuchen wir meinen Cousin Franz und seine Frau Ruth, die seit 20 Jahren im Finistère leben. Sie verwöhnen uns mit feinstem Essen, wir haben uns viel zu erzählen und geniessen zwei gemütliche Tage zusammen. Da wir schon in der Nähe von Quimper sind, gehört natürlich auch ein Besuch im Armor-Lux Fabrikladen dazu.

In 12 Stunden fahren wir danach die 1020 km zurück nach Genf. Einmal mehr sind wir begeistert von der Bretagne, und wir erleichtern uns die Rückkehr in den Alltag mit viel bretonischer Musik (Denez Prigent, Dan ar Braz, Gilles Servaz u.a.).

Unterwegs waren wir vom 10. bis 28.9.2024